Öltanker vor einer Öl-Lagerstätte

Ölpreis im Minus: Langfristig gut fürs Klima?

Letzte Woche ist etwas am Finanzmarkt passiert, was sogar die meisten Experten nie für möglich gehalten haben. Der Preis verschiedener (Roh-)Ölsorten ist ins Minus gerutscht. Das heißt, man hat Geld dafür bekommen, wenn man Öl gekauft hat.

Öl ist ein Termingeschäft. Im April kauft man für die Lieferung im Mai usw. Wenn man sich also Ölzertifikate im April gekauft hat und diese nicht (bestenfalls mit Gewinn) abgestoßen hat, muss man Ende Mai das Öl an der Lagerstätte abholen. Genau das stellte viele Ölhändler und Spekulanten vor große Probleme. Die Meisten besitzen gar keine Lagerkapazitäten, weshalb sie die Terminpapiere vor ihrem Ablauf loswerden mussten. Ansonsten hätten sie im Mai ein Problem gehabt, weil sie Lagerkapazitäten hätten kaufen müssen.

Davon profitieren jetzt erst einmal alle, die Lagerkapazitäten besitzen. Viele Investoren spekulieren auch hier wieder. Zum Beispiel in dem sie einen Tanker chartern, mit Öl voll füllen und Richtung China aufbrechen. In der Hoffnung, dass dort die Wirtschaft wieder angelaufen ist, wenn der Tanker dort (bei langsamer Fahrt) in 90 Tagen eintrifft. Das führt wiederum zu dem Effekt, dass Öltanker, die letztes Jahr noch für 40.000 Dollar am Tag zum Ausleihen kosteten, jetzt 400.000 Dollar am Tag kosten.

Die Lager werden also knapp. Je nachdem, wann und ob die Wirtschaft wieder anläuft, könnte es schon Ende Mai am Ölmarkt eskalieren. Normalerweise würden Marktmechanismen jetzt dazu führen, dass die Fördermengen drastisch gekürzt werden. Hier spielen aber einige politische Entscheidungen eine wichtigere Rolle als der Markt.

Das OPEC-Kartell wurde ja genau deshalb gegründet, um den Ölpreis stabil zu halten. Was nichts anderes heißt, als den Preis höchstmöglich zu halten für mehr Gewinn. Mit Russland ist ein mächtiger Spieler im Öl- und Gasgeschäft nicht in der OPEC. Trotzdem verbündet sich Russland im Zuge der OPEC+ manchmal mit der OPEC, wenn gleiche Interessen vorliegen. Der USA war die Abhängigkeit an nicht gerade befreundete Staaten immer ein Dorn im Auge. Gerne würde man auch selbst den Weltmarkt kontrollieren.

Bis 1974 war die USA stets auf Platz 1 der größten Ölproduzenten der Welt. Diesen Rang eroberten sie sich erst 2017 wieder zurück. Und das hatte seinen Preis. Nicht nur für die Umwelt, da die USA vermehrt auf Fracking und Ölsandförderung setzt, sondern auch für ihre Finanzen. Viele Analysten gehen davon aus, dass das Frackinggeschäft nie profitabel war. Billige Kredite nach der Finanzkrise, massenhafte Subventionen und lasche Umweltauflagen haben haufenweise „Zombie-Unternehmen“ in der US-Ölbranche entstehen lassen. Sie wären also ohne staatliche Hilfe nie profitabel gewesen.

Brechen die Ölfirmen ein?

Die große Unbekannte ist nun, wie die Staaten reagieren. Je nach Einschätzung (konkrete Zahlen gibt es leider nicht), benötigt Russland einen Ölpreis von 42 Dollar, Saudi-Arabien einen von 83 Dollar und die USA einen von 50-70 Dollar um profitabel zu arbeiten. Alles unter 20 Dollar ist die totale Katastrophe für die Branche, weil man damit nicht einmal die variablen Kosten decken kann und die Ölforderung kann man technisch bedingt nicht von heute auf morgen komplett stoppen.

Beim Verfassen dieses Artikels stand die Ölsorte WTI (USA) bei 12,95 $ und Brent (Europa) bei 19,59 $. Also kaum profitabel. Nach einer anfänglichen Blockierung Russlands, haben die OPEC und OPEC+ Staaten angekündigt, ab Mai ihre Produktion um 10 % (9,7 Mio. Barrel) am Tag zu kürzen. Allerdings ist die Ölnachfrage um bis zu 29 Millionen Barrel am Tag zurückgegangen.

Statistik: Preisentwicklung der Rohölsorte UK Brent von März 2019 bis März 2020 (in US-Dollar je Barrel) | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Je länger diese Situation anhält, desto eher wahrscheinlich wird es, dass Ölfirmen pleitegehen. Jedoch sind diese Firmen vor allem außerhalb der USA in Staatshand. Es ist unwahrscheinlich, dass Russland, Saudi-Arabien, Iran und Co. dieses Geschäft, egal bei welchem Preis einstellen werden. Eher leben sie mit geringeren Devisen, als mit gar keinen Devisen.

Interessant wird es eben in den USA. Der US-Anleihenmarkt für Hochrisikoanleihen, so genannter „Junk Bonds“ ist über eine Billion Dollar groß. Dort sind die Zinsen besonders hoch, weil die Ausfallwahrscheinlichkeit enorm ist.

12 % dieser Hochrisikoanleihen sind Energieanleihen von Öl- und Gasfirmen. Die durchschnittlichen Zinsen für die Anleihen aller Branchen betrugen letzten Montag (20.4.2020) 8,05 %, nach einem Höchststand von 11,41 % (20.3.2020). Die Energieanleihen dotierten am 20.4 bei 16,42 % bei einem Höchststand (20.3) von 23,05 %. Analysten schätzen die Ausfallwahrscheinlichkeit im Energiesektor also besonders hoch ein.

Stellt sich nun die Frage, ob die US-Regierung ein großes Rettungspaket schnürt und die Zombie-Firmen rettet. Wenn nicht, könnte es eine historische Chance für die erneuerbare Energiebranche werden.

Was bringt es dem Klima?

Zuerst einmal wird derzeit enorm viel weniger Öl verbraucht, was zu weniger CO2- und Methan-Ausstoß führt. Doch lehren uns Krisengeschichten immer, dass es danach zu Rebound-Effekten kommt. Also eingesparte Emissionen werden wieder mehrfach emittiert, um den „wirtschaftlichen Schaden“ aufzuholen. Der normale Irrsinn eines auf Wachstum angelegten Systems also.

Wenn sich Trump durchsetzt mit seiner Forderung, die Öl- und Gasindustrie zu retten, ist langfristig nichts gewonnen. Zerbrechen jetzt Förderkapazitäten in den USA und die Erkenntnis setzt sich durch, dass das langfristig ein Minusgeschäft ist, wäre das von großem Nutzen für den Klimaschutz.

Nachdem die Wirtschaft wieder „angefahren“ wurde, also die Nachfrage wieder auf vor Corona-Niveau ist, durch die USA aber viel Angebot wegbrechen würde, würde der Ölpreis wieder steigen. Vielleicht gar wieder über 100 Dollar wie um 2010 herum.

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Dies wird zur Folge haben, dass sich viele Staaten und Unternehmen Gedanken machen, wie sie wieder günstig an Energie kommen. Da erneuerbare Energien, auch ohne Subventionen, jetzt schon in vielen Fällen rentabler sind als fossile Energien, könnte das zur Folge haben, dass vermehrt in erneuerbare Energien investiert wird, weil es auch wirtschaftlich sinnvoll ist.

Dafür müssen allerdings vor allem die politischen Rahmenbedingungen stimmen, dass nicht doch wieder die Öl- und Gaslobby gewinnt. Denn man muss der Wahrheit ins Auge sehen, für viele Staaten, auch für die USA ist der Ölverkauf systemrelevant. Vor allem die Stabilität des Dollars ist eng an den Ölmarkt gekoppelt. Aber das ist ein anderes, komplexes Thema.

Weshalb es jetzt wichtig ist, sowohl in Europa als auch in den USA, den Druck hochzuhalten, dass staatliche Wirtschaftsinvestitionen nach Corona vor allem an klimafreundliche Unternehmen gehen sollen. Das heißt an Unternehmen, die so wirtschaften, dass das Parisziel eingehalten wird.

Finanzinvestoren könnten jetzt endlich ihr Portfolio aufräumen und in erneuerbare Energien investieren. Dann muss man nicht immer auf die Rettung der Branche durch den Staat hoffen. Für reine Spekulanten ist das allerdings auch nur bedingt interessant.

Alle, die nicht so finanziell von der Corona-Krise gebeutelt sind können zu einem Ökostromanbieter (Grünes Strom Label sollte vorhanden sein) wechseln, ihr Konto bei einer Bank, die nachhaltig investiert (GLS, Tridos, Umweltbank, Ethik Bank usw.) eröffnen und dort Geld anlegen und/oder in eine Bürgerenergiegenossenschaft investieren.

Jedes Watt, Kilowatt, Megawatt oder Gigawatt, das wir genau jetzt erneuerbar in den Markt bringen, wird den Öl- und Gasmarkt weiter unter Druck setzen und irgendwann kann ihn auch der solventeste Staat nicht mehr retten. Wenn es allerdings zu einem Zusammenbruch des Ölmarktes kommt und „wir“ es bis dahin nicht geschafft haben, Ersatz zu schaffen oder zumindest ein stabiles (Gesellschafts-)System etabliert haben, wird es zur Rezession kommen, mit unschönen Folgen für die Weltgesellschaft. Was kein Plädoyer für ewiges Wachstum sein soll!

Also, packen wirs an. Wie immer, wenn man es nicht selber verändert, verändert es niemand 🙂


Titelbild (Öltanker): TheoRivierenlaan


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Ein Gedanke zu „Ölpreis im Minus: Langfristig gut fürs Klima?

  1. Danke für diesen Erhellenden Artikel! Hoffen wir, dass die Ölindustrie kollabiert, trotz der weltweiten temporären Schäden dadurch.
    Was dann kommen kann, ist eine schöne neue Welt ohne schwarzem Gold und mit viel frischer Luft! Ich bin dabei!

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