Der Bundestag mit leeren Sitzen

Ich will die Welt retten! Soll ich dafür Politiker oder Unternehmer werden?

Ich bin eigentlich kein Freund von Untergangszenarien. Angesichts des größten Artensterbens seit den Dinosauriern, Ressourcenknappheiten, Kampf ums Öl und teilweise schon ums Wasser, Dürreperioden und steigenden Wetterextremen, kann man von dem menschengemachten Klimawandel halten, was mach möchte. Die Realität sieht aber so aus, dass unser jetziges Gesellschaftssystem nicht für immer gut gehen wird.

Wenn jeder so einen Ressourcenverbrauch hätte, wie wir Deutschen, würden wir 3,1 Erden benötigen. An der Spitze des Ressourcenverbrauchs stehen die Australier mit 5,4 Erden. Jeder auf diesem Planeten strebt unseren Lebensstil an (warum eigentlich?). Durch das Abschmelzen der Arktis und von Grönland, steigt der Meeresspiegel im Jahr 2100 um bis zu 1,60 Meter. Das hört sich wenig an, es überflutet aber einen großen Teil der Niederlande und auch viele Teile Deutschlands wären davon betroffen. Hier kann man das simulieren. Die industrielle Landwirtschaft produziert heute zwar viel mehr, als wir essen können, hinterlässt aber auch unfruchtbare Böden. Der für die Landwirtschaft überlebenswichtige Phosphor-Dünger geht Schätzungen zufolge in 30 Jahren zu Neige. Bis 2048 ist das Meer leergefischt.

Es wird also aller Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahrzehnten zu großen Herausforderungen unserer menschlichen Art kommen. Mit oder ohne Klimawandel. Der Ausgang ist ungewiss.

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Wer wird uns retten?

Ich bin ziemlich früh (5./6. Klasse) mit dem Thema Regenwald konfrontiert worden. Irgendwie erschien es mir logisch, dass er geschützt werden muss. Dieses Denken weitete sich aus und mir war klar, dass wenn wir so weiter machen wie jetzt, ist der Planet nicht mehr zu gebrauchen. Das wollte ich schon immer verhindern. Ich fragte mich, wie ich das mit meinen bescheidenen Mitteln bewerkstelligen kann. Da ich schon immer ganz gut im Umgang mit Computern war, habe ich irgendwann Blog2Help gegründet und mich anschließend Selbständig gemacht. Bisher mit mittelmäßigem Erfolg, das muss ich mir selbst eingestehen. Aber warum habe ich diesen Weg gewählt?

Politik von unten

So richtig politisiert war ich vermutlich erst Anfang 20. Obwohl ich lange Zeit davor schon allerhand Aktionen von unserer Partnerorganisation OroVerde begleitet habe und meinen Verwandten mit dem Thema Regenwald auf den Sack ging, war ich nicht sehr politisiert. Erst als ich mit 18 herum angefangen habe, mich in diversen Foren mit Politikbereichen herumzutreiben, wurde ich mehr und mehr politisch interessiert.

2004 als sich die Satirepartei die Partei gegründet hat, fand ich den Ansatz, satirisch auf politische auf Missstände hinzuweisen ganz witzig. Zur Bundestagswahl druckte ich ein paar Plakate aus und hing sie eigenständig und heimlich Nachts, bei uns auf dem Dorf auf. Das war es aber schon.

2006 gründete sich die Piratenpartei Deutschland und ich dachte, diese sei perfekt für mich. Digitale Pioniere, die Zukunftsthemen angehen möchten. Hier wollte ich mich engagieren für eine nachhaltige, digitale und mündige Gesellschaft. 2009 bin ich eingetreten, im gleichen Jahr war auch die Bundestagswahl. Auf Einladung meines Heimatverbandes bin ich dort zu einer Informationsveranstaltung gegangen. Dort fühlte ich mich irgendwie nicht willkommen, es ähnelte einer großen Schafkopfrunde mit lauter MS-Dos-Manfreds. Den ganzen Abend ging es irgendwie nur darum, wer welchen Hänger für das Aufhängen der Plakate bereitstellen kann. „Das ist also Lokalpolitik?“, dachte ich und bin nie wieder hingegangen.

In der Zwischenzeit habe ich mich im Forum der Piratenpartei politisch engagiert. Doch die Diskussionen liefen alle sehr destruktiv ab, was auch dann darin mündete, dass die Euphorie zu der Zeit eben nicht mitgenommen wurde, weil jeder nur seine Idee durchbringen wollte. Im Übrigen fand ich die Diskussionsteilnehmer alle sehr konservativ, was irgendwie nicht zu meiner Vorstellung gepasst hat, dass die Piratenpartei eine Zukunftspartei wäre.

Ich glaube 2010/2011 herum habe ich einen letzten Anlauf gewagt und bin zum Treffen in meiner Studentenstadt gegangen. Hier war das Publikum deutlich jünger. Allerdings ähnelte das Treffen eher einem Fachschaftstreffen, als einem Parteitreffen (obwohl ich da ja keine Erfahrung hatte). Am Ende wurden noch ein paar Punkte verabschiedet, die so gut wie gar nicht diskutiert wurden und ein großer Teil der männlichen Teilnehmer haben sich der einzigen Frau testosterongetrieben angebiedert am Schluss. Diese Art von Networking und Diskussion entsprach nicht dem meines „Ich will aber die Welt retten„-Denkens.

Stammtisch mit Schafkopfkarten

Kein Bock auf Stammtisch-Politik.
Bild: stux

So habe ich für mich beschlossen, dass ich in der politischen Welt wohl nicht richtig aufgehoben bin. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich vielleicht länger durchhalten hätte müssen und offener hätte sein sollen. Egal, ich hatte aber sowieso keine Lust mich von Stammtisch zu Stammtisch, von Parteitag zu Parteitag zu schleimen, in der Hoffnung irgendwann mal etwas abstimmen zu dürfen, das ich nicht für gut halte, aber der Fraktionszwang mich dazu zwingt. Aber jetzt werde ich wieder zu zynisch.

Unternehmen sind sehr mächtig

Da ich auch sehr wirtschaftlich interessiert bin, ist mir natürlich nicht entgangen, dass politische Entscheidungen eigentlich immer unter der Prämisse Arbeitsplatzerhaltung und Kapitalvermehrung getroffen werden. Außerdem dachte ich mir, dass man mit Geld viel mehr erreichen kann, als mit Politik. Wenn ich mir ansehe, dass man mit 10 Cent schon einen Baum im Regenwald pflanzen kann, wie viel kann man also erreichen, wenn man ein DAX30 Unternehmen wird?

Würde man das noch mit Arbeitsplätzen kombinieren, könnte man politische Entscheidungen steuern, egal wer an der Macht ist. Wenn VW mit einem Stellenabbau von 100.000 Menschen droht, traut sich doch keiner mehr Politik gegen sie zu machen. Man stelle sich vor, die Big 4 – Amazon, Apple, Microsoft und Google würden ihre Gewinne nicht jährlich ausschütten, sondern Bäume pflanzen oder Naturschutzgebiete damit kaufen. Ganz zu schweigen, welche politische Macht sie ausüben (können). Nur um die Dimension aufzuzeigen: diese vier Unternehmen sind mehr wert, als das jährliche deutsche Bruttoinlandsprodukt.

Ein Bild von einem Fuchs mit der Nachrichtenmeldung, dass ein Unternehmer eine Milliarde Dollar für den Umweltschutz spendet.

Zum Vergleich: Der Jahresetat vom
„Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit“ betrug 2018 mit 1,98 MRD. € nur knapp das Doppelte, bei einem BIP von 3,28 BIO. €

Da ich quasi schon immer irgendwie Unternehmer war (ich hab seit 2002, im Alter von 14 Jahren, Geld im Internet verdient), bin ich 2013 ins kalte Wasser gesprungen und habe mich nach dem Studium komplett selbständig gemacht. Zuvor arbeitete ich als Werkstudent bei einem Autozulieferer und habe dort ein Konzept für ein Projektmanagementtool für Validierungstests erstellt. Dieses Tool wollten sie mit einem kleinen sechsstelligen Betrag umsetzen lassen. Da der frühere Haus- und Hofentwickler abgesprungen ist, wollten sie den Auftrag an mich vergeben. Das wäre die ideale Anfangsfinanzierung gewesen und Teile des Projekts hätte ich weiterverwenden können. Ich wollte so etwas wie das SAP der Validierungstests entwickeln. Also egal, ob Motoren, Glühbirnen oder Schaltkreise in der Entwicklung getestet werden, um mein Tool sollte man nicht mehr herumkommen können.

Den Auftrag habe ich letztendlich nie bekommen, dann stand ich blöd da. Zwischendurch hatte ich weitere Ideen, die leider gescheitert oder nie richtig gestartet sind. Als Informatiker kann man sich immer irgendwie mit kleinen Aufträgen durchschlagen, das ist nicht unbedingt das Problem. Ich träume zwar noch vom großem Wurf, aber realistischerweise wird dieser nie kommen.

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Marktwirtschaftlich die Welt retten

Auch wenn sich das Unternehmertum enorm gewandelt hat und es als interessierter Verbraucher, sehr, sehr viele Möglichkeiten gibt, Alternativen zum jetzigem Wirtschaften zu wählen, gibt es doch keine Unternehmen, die es mit der Weltrettereinstellung zu nennenswertem Einfluss geschafft haben.

Natürlich gibt es so erfolgreiche Player wie Ecosia, Lichtblick, Greenpeace Energy und Co. Doch demgegenüber stehen halt EON, RWE, VW und wie sie alle heißen. Die werden aber erst umweltfreundlicher, wenn auf der Aktionärsversammlung den Leuten die Nachhaltigkeit wichtiger wäre, als der Profit. Danach sieht es derzeit nicht aus.

Also würde es einen sogenannten Moonshot eines nachhaltigen Unternehmers benötigen, um zumindest einer Firma Paroli zu bieten. Dass dies gelingt ist äußerst unwahrscheinlich und ich wage zu behaupten, dass so, wie Unternehmensgründung derzeit abläuft (Risikokapital usw.), hat man mit alternativen Konzepten überhaupt keine Chance, jemals so groß zu werden, dass man irgendeinen Einfluss erlangen könnte.

Und selbst eine revolutionäre Erfindung würde nicht garantieren, dass diese sich am Markt durchsetzt. 1866 wurde die erste solarbetriebene Dampfmaschine erfunden (Siehe S.6). Da wir heute noch mit Kohle unseren Strom erzeugen, bedarf es keine weiteren Ausführungen mehr, denke ich.

Die „Besten“ sind nicht in der Politik

Jetzt habe ich mir heute das überaus gute Interview von Tilo Jung mit dem Politologen Albrecht von Lucke angesehen. Er sagt gewissermaßen, dass schon seit seiner Generation (er ist Anfang 50), die besten Menschen nicht mehr in die Politik gegangen sind. Zum einen, weil wir mit guten Politikern vor Kohl verwöhnt waren und zum anderen, weil jeder dachte, die werden das schon irgendwie machen. Der viel gepriesene Individualismus tat sein übriges. Jeder kämpft nur für seine eigenen Interessen, das große Ganze interessiert nicht mehr.

Jetzt stehen wir vor der Entscheidung, ob wir so weiterleben wollen oder ob uns die nachfolgenden Generationen etwas wert sind. Die heute 70-Jährigen, können vermutlich noch 20 sehr gute Jahre erleben, ohne dass sie die eingangs erwähnten Szenarien spürbar treffen. Die heutigen 12-Jährigen werden aber in der Mitte ihres Lebens höchstwahrscheinlich eine sehr ungemütliche Umwelt vorfinden, wenn wir so weiter wirtschaften.

Die jüngeren Generationen müssten eigentlich massiv aufbegehren. Doch abgesehen von kleinen Nadelstichen wie die Proteste im Hambacher Forst, scheint jeder damit zufrieden zu sein wie es läuft. Oder gelähmt.

Auch wenn die Grünen derzeit ein Rekordergebnis nach dem anderen einfahren, gibt es auch dort niemanden, dem man zutrauen würde, die dringendsten Probleme der Zukunft auch nur auf die Agenda zu setzen. Im politischen System befinden sich überwiegend nur noch weichgespülte Menschen, die versuchen, nur keinen Fehler zu machen, um ihren Posten für immer zu behalten. Oder welche, die sich nicht zu schade sind, absolut populistisch zu agieren, um von dem überforderten Rest gewählt zu werden.

Bei der Maaßen-Affäre wurde oft das Peter-Prinzip zitiert. Das besagt, dass in einer Organisationsstruktur mit der Zeit jeder auf einer Position landet, für die er unfähig ist. Derjenige wurde also bis zur Unfähigkeit befördert. Was ist aber, wenn man von Anfang an unfähig ist? Ich habe von Ortsverbänden gehört und gelesen, die regelrecht betteln mussten, dass sich jemand zur Landtagswahl aufstellen lässt. Diese Leute sollen dann frischen Wind in das politische System bringen? Na, danke! Kein Wunder, dass die Politik sich nicht mehr gegen die Wirtschaft wehren kann.

Die Elite sitzt nicht (mehr) in den Parlamenten, sondern in den Aufsichtsräten oder in Anwaltskanzleien. Dort tüfteln sie an Steuertricks bei einem Tagessatz von 15.000 €. Während der Parlamentarier mit Dreck beworfen wird, weil er mit 9.541,74 € brutto im Monat nach Hause geht. Dass allerdings 178 Bundestagsabgeordneten derzeit Nebeneinkünfte in Höhe von 48,7 Mio. Euro besitzen, hat noch nicht einmal für einen kleinen Aufschrei gesorgt. Bald ist mit Merz einer der Cheflobbyisten vielleicht sogar Kanzlerkandidat und keinen scheint es ernsthaft zu stören. Verkehrte Welt.

Leute wie ich tragen eine Mitschuld

Und jetzt schließt sich der Kreis. Ich habe auch gedacht, dass ich als einzelnes Individuum mehr erreichen kann, als in der Politik. Unabhängigkeit und persönliche Entfaltung ist für mich am wichtigsten. Ich würde behaupten, dass ist für die Engagierten meiner Generation (ich bin 30), symptomatisch. Ich bin vielleicht nicht der beste Arschkriecher, äh Networker, aber ich bin gut ausgebildet, wissensdurstig, lasse mich mit wissenschaftlichen Argumenten überzeugen, bin idealistisch eingestellt und dadurch würde ich mal behaupten, wenig korruptionsanfällig.

Eigentlich gute Voraussetzungen um in der Politik etwas zu bewirken. Natürlich ist man auch im politischen System nur ein ganz kleines Zahnrädchen. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, wenn du etwas drauf hast, dass du irgendwann in einem Parlament landest, bei deiner eingesetzten Zeit höher, als dass du ein erfolgreicher Unternehmer wirst und damit die Welt veränderst. Das gilt nicht nur für die Zukunftsfrage bei der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. In den nächsten Jahrzehnten werden weitere Fragen auf uns zukommen, für die wir am besten jetzt schon eine Antwort haben sollten: Flüchtlingskrisen, der Strukturwandel durch die Digitalisierung, Demokratie-Krisen und die Urbanisierung (Verkehr, Mieten usw.) wären beispielsweise vier große Herausforderungen, die nur mit guten Leuten zu lösen sein werden.

Wenn Menschen wie wir diese Fragen nicht beantworten können, dann beantworten diese Fragen Menschen wie Erdogan, Putin oder jetzt Bolsonaro in Brasilien.

Vielleicht wage ich die nächsten Wochen doch einmal wieder einen Anlauf und besuche so einen Stammtisch. Bei welcher Partei bin ich mir noch unschlüssig.

*Blog2Help – Disclaimer*

Ich bin immer noch der Überzeugung, dass der Verbraucher bzw. die Gesellschaft an sich das größte Potential hat, „die Welt zu retten“. Deshalb betreibe ich diesen Blog. In dem Artikel ging es mir nur um Leute wie mich, die eigentlich noch gerne eine Schippe des Engagements drauflegen möchten. Und ich habe wie immer nicht den Anspruch, dass meine Meinung richtig sein muss. Über eine anregende Diskussion würde ich mich freuen.

 

Quelle Beitragsbild (Bundestagssitze): clareich

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