New York, Paris, Berlin: Die Welt ändert sich nicht – Sie kommt nur näher

Radikale Veränderungen sind scheiße. Vor allem, wenn davor gefühlt alles besser war. Wir sind die Generation, die seit 2001 etwas erlebt, das so noch keiner vor uns im Westen erlebt hat: Islamistischer Terror.

Als die Flugzeuge in die Zwillingstürme gerast sind, konnte ich das Ausmaß mit damals 13 Jahren noch nicht richtig begreifen und bin während Peter Klöppel sich noch ungläubig die Augen rieb erst einmal mit meinen Kumpels Basketball spielen gegangen.

Die Amerikaner reagierten anschließend zutiefst menschlich und griffen erst einmal alles an das irgendwie nach Feind roch. Blöd nur, dass sich im Nachhinein herausstellte, dass keiner der angegriffenen Länder irgendwas verbrochen hatte. Rache ist also manchmal gar nicht so süß. Höchstens wirtschaftlich lukrativ.

In den letzten Jahren ist der islamistische Terror auch Europa auf die Pelle gerückt. Nun ist er allem Anschein nach auch in Berlin angekommen und keiner weiß so recht, wie er damit umgehen soll. Ich weiß es auch nicht, allerdings versuche ich das ganze einmal zu ordnen.

Die Welt rückt näher und so auch ihre Probleme

Die Industrialisierung hat dem Westen vor ca. 150 – 200 Jahren großen Wohlstand verschafft, der auch durch zwei Weltkriege nicht erschüttert worden ist. Im Gegenteil. Mit der Globalisierung haben wir diesen Wohlstand noch exorbitant steigern können.

Doch dieser Wohlstand basiert vor allem darauf, dass wir aus endlichen Ressourcen Produkte herstellen und diese verkaufen. Leider stammen die meisten Ressourcen aus genau den Ländern, aus denen die Extremisten jetzt herkommen. In diesen Ländern haben aber nur sehr wenige Leute von dem Wohlstand profitiert, weil es einfacher war einen Warlord zu finanzieren um z.B. an Coltan zu kommen, als faire Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Jetzt könnte man natürlich argumentieren, dass diese Länder selbst dafür verantwortlich sind, demokratische Strukturen aufzubauen, sich aufzuklären und es besser zu machen. Das wäre aber genauso heuchlerisch, wie von einem Obdachlosen zu fordern, er solle doch gefälligst ohne Hilfe Millionär werden, dann wär sein Leid doch auch weg. Außerdem haben wir im Westen selbst noch keine abschließende Lösung dafür gefunden, die Schere zwischen Arm und Reich in einem gesunden Abstand zu halten.

Dazu kam, dass die Digitalisierung uns unendliche Möglichkeiten und Freiheiten verschaffen hat. Sie hat allerdings auch alle Probleme der Welt nur einen Mausklick entfernt zugänglich gemacht. Auch ich bin in weiten teilen ein konservativer Romantiker: Damals, als es technisch noch wenigstens ein bisschen anspruchsvoll war, sich Zugang zum Internet zu verschaffen war die Diskussionskultur noch ziemlich gehoben. Auch die Plattformen dazu waren komplexer und meistens wurden Diskussionsforen von sehr intelligenten Menschen moderiert.

Heute kann wirklich jeder mit nur einem Fingerschnippen ins Internet kommen und durch die sozialen Medien ist die Kommunikation schneller und unpersönlicher geworden. Moderiert wird entweder gar nicht mehr oder irgendwelche unterbezahlten Mitarbeiter von Zensurfirmen löschen willkürlich Beiträge. Leider haben sich vor allem Menschen mit extremen Meinungen darauf spezialisiert diese neue Art der Kommunikation für sich zu nutzen. Islamisten rekrutieren den Großteil ihrer ideologischen Kämpfer über das Internet. Einzelpersonen werden durch radikale Gemeinschaften aufgestachelt und drehen durch, weil die ganze Welt nur noch eine einzige Verschwörung gegen sich selbst zu sein scheint. Medien die populistisch berichten sind erfolgreicher als sachliche Berichterstatter usw usf.

Informationsburnout

Die Welt ist komplex. Das war sie schon immer. Doch jetzt werden wir von dieser Komplexität langsam übermannt. Zu jedem Thema gibt es zig Theorien. Selbst wenn Sachverhalte schon wissenschaftlich widerlegt wurden oder gar keinen Sinn ergeben, gibt es Leute, die das noch mit Scheinargumenten bis zum Ende vehement verteidigen. Und das meist mit einer Vehemenz, dass sich intelligente Menschen nach der dritte kruden Theorie aus der Diskussion ausklinken. Dadurch sieht es so aus, als würden alle die Meinung des Verrückten haben, weil keiner mehr widerspricht. Manche nennen es Filterbubble, ich nenne es wegsehen/aufgeben der Intelligenten.

Ganz ehrlich, wenn ich jetzt noch einmal 13 wäre und das Internet so konsumiert hätte, wie ich es damals getan habe, würde ich jetzt auch mit dem Sprengstoffgürtel vor dem PC sitzen und entweder die NWO, Christen, Muslime oder Juden wegbomben wollen. Oder aber ich wär jemand, der vehement die flache Erde Theorie verteidigt. Je nachdem, in welcher Diskussion ich zuerst gelandet wäre.

Es wäre ja auch zu schön, wenn man die Schuld immer auf andere schieben kann, ohne großartig sein Hirn anschmeißen zu müssen. Schließlich ist das Leben mit 40h Job und Frau und Kinder ja schon anstrengend genug. Wo kämen wir denn dahin, wenn man sich jetzt auch noch tiefgründige Gedanken über den Zustand unserer Erde machen müsste?

  • Terroranschlag: Muslime sind schuld.
  • Arbeitslosigkeit: Ausländer sind schuld.
  • Schlechte Tierhaltung: Scheiß Bauern.
  • Klimawandel: Gibt es entweder nicht oder andere Länder könnten mehr dagegen tun.
  • Kinderarbeit: Da muss die indische/pakistanische/taiwanische Regierung mehr dagegen tun.

Wie reagieren auf das Elend dieser Welt?

Nun stellt sich die Frage, wie wir auf diesen ganzen Scheiß reagieren sollen? 2016 war wahrlich kein leichtes Jahr. Ein Jahr der Extreme und ich habe die Sorge, dass sich dieser Extremismus auf allen Seiten einfach hochschaukelt und 2017 dann gar keinen Spaß mehr macht.

Ich habe in einer der letzten Ausgaben der Psychologie Heute etwas gelesen, das mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf geht. Es gibt zwei Arten von Menschen. Jene, die denken, dass sie selbst Einfluss auf ihre Handlungen haben und jene die denken, dass ihre Handlungen keinen Einfluss auf die Welt haben und auch sie selbst eher fremden Einflüssen ausgeliefert sind. Letztere haben natürlich mehr Angst vor dem Unbekannten und vor allem vor dem Unberechenbaren.

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Ich kenne das ja zu gut im Umweltschutzbereich. Das Argument „im Endeffekt ist es doch egal, ob ich Müll trenne/Fairtrade Produkte kaufe/das Auto stehen lasse usw, wenn es mein Nachbar und Millionen von Menschen auch nicht tun“. Diese Opferrolle ist natürlich ziemlich bequem, befreit sie doch vor allen Konsequenzen seines eigenen Handelns. Gesteigert wird dies nur dadurch, wenn Bedingungen formuliert werden, die erst eintreffen sollen, bevor man ein „besserer“ Mensch wird. „Schmeißt erst mal alle illegalen Asylanten hier raus, dann engagiere ich mich auch für Obdachlose“. Oder „nimm du doch erst einmal einen Flüchtling auf, dann hör ich auf zu hetzen.“ etc…

Anstatt nach außen Selbstbewusstsein mit solchen radikalen Äußerungen vorzutäuschen, macht euch doch klar, dass euer Handeln tatsächlich andere Menschen beeinflussen kann und ihr vielleicht wichtiger seid, als ihr denkt.

Handlungsoptionen auf den Terror?

Um den Bogen zu spannen: Terrorismus gibt es eigentlich schon immer, dass er bei uns im Wohlstandswesten derzeit so einen Unwesen treibt ist neu. Deshalb weiß natürlich auch niemand, wie er mit diesem neuen Sachverhalt umgehen soll, den ich im Übrigen auch total beschissen finde.

Auch wenn ich jetzt wieder als Beschwichtiger, Schönredner oder Gutmensch hingestellt werde sage ich trotzdem, dass man die politische und gesellschaftliche Reaktion doch bitte an die Verhältnisse anpassen muss. Klar darf man sauer sein, wenn so eine Scheiße wie in Berlin oder Paris passiert. Aber sollten wir deshalb unsere Freiheit aufgeben, weil ein paar Menschen nicht darauf klarkommen, dass die Welt unfair ist und ihnen nichts besseres einfällt als mit einem Laster über Menschen zu fahren? Ich denke nicht!

Mit Freiheit meine ich so etwas wie die Meinungsfreiheit. Bei allen Diskussionen um Fake-News und Hetzern darf es trotzdem kein Instrument geben, das großflächig Zensurmaßnahmen durchführen kann. Auch habe ich keine Lust ständig vom Geheimdienst abgehört zu werden, selbst wenn ich nichts zu verbergen habe. Wer weiß, wer mal an die Macht kommt und die Informationen gegen mich verwendet. Trump möchte zum Beispiel jetzt eine Liste aller Klimaschützer haben. Wofür weiß keiner.

Die verschäften Gesetze, die damals gegen die RAF erlassen wurden, haben bis heute bestand. Viel interessanter finde ich aber das Zitat aus dem Interview:

Die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus ist keine Aufgabe allein des Rechts oder gar der Polizei. Im Gegenteil: Ein paar zu allem entschlossene Gegner können einen demokratischen Rechtsstaat mittelfristig nicht existenziell gefährden. Dies kann nur gelingen, wo und wenn es in der Bevölkerung ein Umfeld gibt, in welchem die Terroristen leben können „wie ein Fisch im Wasser“. Wo größere Gruppen von Menschen an die Legitimität der Ziele von Terroristen glauben, entstehen wirkliche Gefahren.

Bitte glaubt nicht an die einfachen, extremen Lösungen und stellt euch dem entschieden entgegen. Auch wenn es Kraft kostet! Eine starke Zivilgesellschaft kann vieles überwinden.

Wie halten wir den Terror von uns fern?

Ich bin kein ausgewiesener Terrorexperte aber meine Denke sagt mir es gibt vermutlich vier Möglichkeiten, wie wir auf den derzeitigen Terror, der sich gegen die westliche Welt richtet, reagieren können.

Reaktion 1: Alles wegbomben

Wir schotten uns ab, ziehen riesige Mauern um die NATO-Länder, investieren sehr viel Geld in Verteidigungsschirme und erhöhen unseren Wohlstand durch mehr Ausbeutung. Wer das nicht mit sich machen lässt, wird ausgelöscht. Dadurch können wir die abgehängten unserer Gesellschaft noch ein bisschen am Wohlstand teilhaben lassen, so lange bis uns die natürlichen Ressourcen ausgehen.

Die restlichen ~80% der Weltbevölkerung hat halt mal wieder Pech gehabt.

Reaktion 2: Die perfekte Welt

Es gibt eine 100%ige Umkehr der Weltpolitik. Ab sofort geht es gerechter zu. Die Reichen und Vermögenden geben ihr Geld ab, Firmen arbeiten nur noch zum Wohl der Gesellschaft und die Welt wird komplett gerecht. Dadurch gibt es keinen Hass mehr, weil sich niemand mehr abgehängt fühlt und jeder ein gleichwertiger Teil unserer Gesellschaft ist.

Reaktion 3: Schrittweises umdenken

Wir lassen uns nicht mehr von irgendwelche Idioten spalten. Denken über unser eigenes Handeln nach, fordern mehr Gerechtigkeit in der Welt, richten auch unser Verhalten danach aus und machen die Welt Schritt für Schritt lebenswerter. Für alle.

Reaktion 4: Alles so lassen wie es ist

Einfach so weitermachen wie bisher. Bisschen hetzen, bisschen jammern, bisschen relativieren, alles konsumieren was geht und schauen, wo uns das hinführt.

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